Wie man richtig neidet

Der urdeutsche Robin-Hood-Mechanismus gehört zu den Dingen, die nie aus der Mode kommen, weil sie immer funktionieren. Ein Blick auf die öffentlich-rechtlichen Gesprächskreise der vorigen Woche genügt da schon. Im Angebot standen „Her mit euren Millionen – drücken sich die Reichen?“ bei Onkel Jauch und „Der Millionär hat’s schwer! Reiche zur Kasse bitte!“ mit Tante Maischberger. Und für das Schmankerl oben drauf sorgte Kanzlerin Merkel, die dem „Handelsblatt“ verriet, dass „Reichtum umzuverteilen ganz wichtig sei“, man allerdings aufpassen müsse, „dass die Reichen nicht alle woanders hingehen, sondern dass noch ein paar Reiche bei uns leben“. Denn: „Das sei die Kunst der Politik.“

Recht hat sie, und mit ihr all die anderen, die gerade die Vorzüge des Umverteilens preisen und dabei um den schönsten Sahra-Wagenknecht-Habitus wetteifern. Recht haben sie natürlich nicht in der Sache, sondern im Ton. Wer ohne geistigen Aufwand größtmögliches Kopfnicken verursachen will, der muss einfach nur höhere Besteuerung der Reichen fordern. Nichts geht über eine gepflegte Neid-Debatte, aus der der Seelenbalsam nur so trieft.


Doch Moment! Neid? Eine Beleidigung für alle Sofa-Ökonomen, die ja nur nach einer besseren Welt streben. Und dennoch wahr. Denn gerade hierzulande gehört ein gewisses Maß an Sozialneid zum Inventar des kollektiven Gemüts. Das ist insofern logisch, als Neid Hand in Hand mit dem Wunsch nach Gleichheit des Weges kommt. Und diesen Wunsch, den gibt es, wie allein schon Studien beweisen. Wo aber der Gleichheit gehuldigt wird, wird zugleich die Freiheit verachtet. Mit ihr freilich auch das Individuum, der Querulant, der Unangepasste, der sich dem Kollektiv nicht fügen will und aus der Reihe tanzt. So zum Beispiel der Selfmade-Millionär, der bei Maischberger auf dem Sofa sitzt und über sein bescheidenes Ferienhäuschen auf Capri plaudert.

Spätestens dann ist nämlich der Punkt erreicht, an dem der innere Robin Hood kollabiert. Dass jemand anders, und in dem Fall noch dazu reicher ist, passt dem deutschen Michel nicht. Darum erwärmt er sich für Personen wie Katja Kipping und Ideen wie die Vermögenssteuer. All das macht den Durchschnittsbürger zwar nicht reicher, dafür aber den Millionär ärmer und rückt ihn an den Ort, wo er gefälligst Platz nehmen möge: in die Mitte, geradewegs hinein ins gleichförmige Kollektiv.

Wenn der Deutsche neidet, dann tut er das nicht ohne ein Mindestmaß an Missgunst. Das nagelneue Cabrio, das so verdächtig in der Einfahrt des Nachbarn vor sich hin glänzt, löst hierzulande bizarre Reflexe aus. Plötzlich einsetzender Hagel oder ein spontan auftretender Marder dominieren sodann die feuchten Träume desjenigen, der seit Jahren mit einem klapprigen Polo unterwegs ist. Frei nach dem Motto: Der hat etwas, das ich nicht habe, also soll er es auch nicht haben. Wenn schon, dann bitte alle gleich arm oder gleich besitzlos, der andere möge sich von seinem Podest hinab auf das eigene Level begeben. Das ließe sich dann als „soziale Gerechtigkeit“, ein hübscher Euphemismus für Gleichheit, deklarieren.

Dabei ginge es auch umgekehrt und mit positivem Vorzeichen versehen, was – wir wollen ja ehrlich sein – natürlich etwas mehr Anstrengung als hauptberufliche Missgunst erfordert. Man könnte das fremde Cabrio beispielsweise als Motivation, also Ziel, auf das man hinarbeiten kann, betrachten. Denn eigentlich ist Neid eine feine Sache, sofern er als Motor und Antriebsfeder genutzt wird und darauf abzielt, dies und jenes zu erreichen, anstatt es anderen wegzunehmen. Insofern wäre „Beneidet euch, aber richtig!“ übrigens auch ein reizendes Motto für die nächste Talkshow. Aber dann bitte ohne Sahra Wagenknecht und Katja Kipping.



Zuerst im Rahmen der Kolumne "Neues aus Meschuggestan" auf "The European" erschienen. 

1 Kommentar:

  1. Ich halte Neid auch im Grunde nicht für gut. Mir wäre lieber jemand sieht das Auto und denkt sich, wenn sich doch viel mehr so etwas leisten könnten. Vielleicht finde ich ja einen Weg da hinzubekommen.

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